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Die Philosophie von Jigoro Kano

Die lesenswerten Gedanken des Judo-Gründers Jigoro Kano näher bringen. Er kommentiert dazu je zwei Überlegungen zu den Themen Training und Energie, beide Überlegungen bedeuten nämlich mehr als nur zwei Grundprinzipien des Judo. Sie sind für alle Lebensbereiche geeignete Maximen.


Das Training:

«Es ist nicht gut, nur das zu verfolgen, was uns interessiert. Wenn etwas Vorteile bringt, muss es praktiziert werden, unabhängig von den Gefühlen, die es in uns weckt.»

«Wenn wir einen Menschen durch Training stark machen und seinen Willen durch Wettbewerbe stärken, dabei aber die Moral vernachlässigen, bilden wir ein Individuum, das die Gesellschaft nicht braucht, da dieser Mensch seine Qualitäten in den Dienst der Selbstsucht stellt.»




Die Energie:

«Die menschliche Energie hat ihre Grenzen. Wenn sie in einem Bereich aufgebraucht wird, ist unvermeidlich, dass sie in anderen fehlt.»

«Streit ist verlorene Energie; eine Diskussion ist Energieverschwendung, wenn sie von Emotionalität, Impulsivität und Eigeninteresse getrübt ist.»




Die Prinzipien der «optimalen Anwendung der Energie» und des «gegenseitigen Wohlbefindens» sind den Judosportlern bekannt; auch denjenigen, die sich wenig für die Geschichte und Philosophie der Disziplin interessieren. Weniger bekannt sind andere Gedanken, die der Gründer in seinen Schriften und im Laufe seiner (für jene Zeit) langen Existenz geäussert hat. In diesem Artikel möchte ich zwei Überlegungen zum Training und zwei zur Energie kommentieren. Ich hoffe, in einer kommenden Ausgabe des DOJO weitere Themen erläutern zu können. Wer das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich die Bücher Fondamenti del judo (1998, Luni Editori) und Mind Over Muscle (2005, Kodansha International), die die wichtigsten Schriften des Judo-Gründers aufgreifen.

Die beiden Zitate sind sehr interessant. Das erste besagt uns, dass es nicht ausreicht, nur zu trainieren «was uns interessiert», wenn wir uns verbessern wollen. Die Übung der Kata hat auch aus der Sicht eines Kämpfers einen Zweck und hilft den Praktizierenden, sich zu verbessern. Das was uns Nutzen bringt, sollte praktiziert werden, auch wenn es mit negativen Gefühlen verbunden ist, meint der Gründer. Das zweite Zitat ist ganz wesentlich: Denkt der Judosportler nur an sich, auch wenn er ein guter Kämpfer wird, so bleibt er doch eine negative Person, da für die Gesellschaft ohne Nutzen. Jigoro Kano hatte klare Vorstellungen über die Ziele des Judo: Der Champion nützt nichts, wenn er sich nicht für die Gruppe engagiert.

Auch diese beiden Zitate lohnt es, zu beachten. Das erste greift ein Thema auf, das für Jigoro Kano sehr wichtig war. Er schrieb mehrmals, dass Judoka wissen müssen, wann innezuhalten ist. Jeder von uns hat eine eigene Energiegrenze und diese Grenze sollte beachtet werden. Im Laufe der Jahre wird manches erzwungen – ein zeitiges Erkennen der Grenzen zeugt von Intelligenz. Das zweite Zitat ist genauer zu analysieren. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass der Gründer den Judosportlern empfiehlt, «es bleiben zu lassen», dem ist aber nicht so. Er weist einzig darauf hin, dass es bei Konflikten zwecklos ist, etwas zu diskutieren, wenn eigene Interessen bestehen; es ist besser auf dem eigenen Weg fortzufahren und seine eigene Richtung einzuschlagen. Das heisst, dass Judoka nicht mit «jedem und allem» einverstanden sein müssen. Es genügt sich zu erinnern, wie Jigoro Kano gegen seine ersten Schüler Sanktionen (Ausschluss und andere) verhängte.

Quelle:

https://sjv.ch/Dokumente/DOJO/DE/DOJO1512de.pdf




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